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Neue Antibiotika in der Praxis

Welche Antibiotikaklassen sind neu auf den Markt gekommen? Wann sind Lokalantibiotika sinnvoll? Und welche Antibiotika greifen am Nukleinsäurestoffwechsel der Bakterien an?

Chinolone (Gyrasehemmer) werden zu 100 Prozent synthetisch hergestellt und sind demnach keine Antibiotika nach der ursprünglichen Definition. Die 1962 zur Behandlung von Harnwegsinfektionen eingeführte Nalidixinsäure hat wegen ihrer ungünstigen Pharmakokinetik, geringen Aktivität und Tendenz zur schnellen Resistenzentwicklung heute keine Bedeutung mehr. Auch die älteren Gyrasehemmer aus der Nalidixinsäuregruppe (Pipemidsäure, Cinoxacin und Rosoxacin) sind den neuen Gyrasehemmern aus der Gruppe der Fluorchinolone in ihrer Aktivität und im Wirkspektrum deutlich unterlegen.

Die Wirkung der Gyrasehemmer setzt am Erbgut der Bakterien an. Es werden Enzyme - allen voran die Gyrase - gehemmt, die bei den Bakterien für den ordungsgemäßen Ablauf der Erbgutverdoppelung (DNA-Replikation) zuständig sind. Dies führt bei empfindlichen Bakterien zum schnellen Zelltod. Die Gyrase menschlicher Zellen wird von den angewandten Gyrasehemmern hingegen nicht beeinträchtigt.

Heute sind Norfloxacin (Barazan®, Norfloxacin-Heumann®), Enoxacin (Enoxor®), Ofloxacin (Tarivid®, Uro-Tarivid®, Ofloxacin-ratiopharm®), Levofloxacin (Tavanic®), Ciprofloxacin (Ciprobay®) und Moxifloxacin (Avalox®) die Mittel der Wahl.

Sie wirken bakterizid, können niedriger dosiert werden und sind nicht nur für die Behandlung von Harnwegsinfektionen sondern auch von anderen Organinfektionen geeignet. Moxifloxacin, das ein erweitertes Wirkspektrum gegen Anaerobier aufweist, wird ausnahmsweise nicht bei Harnwegsinfekten eingesetzt. Es ist bei Infektionen der Nasennebenhöhlen, chronischer Bronchitis oder Lungenentzündungen indiziert.

Fluorchinolone sind gut wirksame Antibiotika mit einem sehr breiten Wirkspektrum, allerdings teilweise erheblichen unerwünschten Nebenwirkungen. Inbesondere schwere Leberschäden, Hypoglykämien (Unterzuckerungen) oder zentralnervöse Störungen bis hin zu Depressionen, Erregungszuständen und Psychosen sind zu erwähnen. Einige Gyrasehemmer, etwa Gatifloxacin, Perfloxacin oder Fleroxacin, mussten wegen schwerer Nebenwirkungen sogar vom Markt genommen werden. Von Ärzten werden im ambulanten Bereich Chinolone dennoch gerne eingesetzt, da sie oral sehr wirksam sind. Die parenterale Anwendung in Form von Spritzen oder Infusionen ist ebenfalls möglich. Daneben dienen einige Chinolone, beispielsweise Ciprofloxacin (Ciloxan®) zur lokalen Behandlung von Augen- und Ohreninfektionen. Die Tendenz zur Resistenzentwicklung unter der Therapie ist bei moderneren Gyrasehemmern zwar noch vorhanden, aber wesentlich weniger ausgeprägt als bei den älteren Präparaten.

Folsäureantagonisten: Zu den antimikrobiell wirksamen Folsäureantagonisten gehören die synthetisch hergestellten Antibiotikagruppen der Sulfonamide und Diaminobenzylpyrimidine. Beide verhindern in den Bakterien den Aufbau der für den Erreger lebenswichtigen Folsäure. Sulfonamide hemmen dabei den ersten Aufbau von Dihydrofolsäure. Diaminobenzylpyrimidine hemmen den zweiten Aufbauschritt durch Blockade des Enzyms Dihydrofolsäurereduktase, das aus Dihydrofolsäure das wirksame Endprodukt Tetrahydrofolsäure macht. Wird die Folsäurebildung gehemmt und somit der Aufbau der Erbinformation, kann das Bakterium weder wachsen noch sich vermehren (bakteriostatische Wirkung). Für den menschlichen Organismus sind Folsäureantagonisten weitgehend ungiftigt, da der Mensch Folsäure nicht wie Bakterien synthetisiert, sondern diese mit der Nahrung zuführen muss.

Sulfonamide sind wichtige Pioniersubstanzen. Wesentliche Prinzipien der antibakteriellen Chemotherapie wurden an ihnen erarbeitet. Sie waren ursprünglich auch gegen ein breites Erregerspektrum wirksam. Da sie schon lange im Einsatz sind, haben zahlreiche Bakterienstämme allerdings eine Resistenz gegen sie gebildet. Sulfonamide können deshalb praktisch nicht mehr als Einzelsubstanzen eingesetzt werden, sondern müssen entweder mit Diaminobenzylpyrimidinen – zu denen Trimethoprim gehört – oder mit Antibiotika anderer Wirkstoffgruppen kombiniert werden. In der Kombination mit Diaminobenzylpyrimidinen werden mehrere synergistisch günstige Effekte erzielt: Die Wirksamkeit wird verstärkt, die Resistenzentwicklung verzögert und das Wirkungsspektrum verbreitert. Die bekannteste und am häufigsten eingesetzte Kombination ist Cotrimoxazol (Kepinol® forte, Cotrim-ratiopharm®). Sie besteht aus der fixen Kombination von Sulfamethoxazol und Trimethoprim im Verhältnis fünf zu eins. Sulfadiazin und Tetroxoprim (Sterinor® für Kinder) wird dagegen im Verhältnis 2,5 zu eins kombiniert.

Die Substanzen werden oral sehr gut resorbiert. Da sie überwiegend über die Niere ausgeschieden werden, reichern sie sich im harnableitenden System an. Dort liegt auch ihr Haupteinsatzbereich. Zum Teil werden sie noch bei Infektionen der Luft- und Atemwege, im Hals-Nasen-Ohrenbereich, bei Infektionen im Bereich der Genitalorgane und des Magen-Darm-Trakts, etwa bei Typhus, Shigellose (Bakterienruhr) oder Reisedurchfall verwendet.

Als Monopräparat werden noch Trimethoprim (Infectotrimet®) bei einfachen Harnwegsinfekten und Sulfadiazin (Sulfadiazin-Heyl®) gegen Toxoplasmose, eine Protozoenerkrankung, die besonders in der Schwangerschaft gefährlich ist, verabreicht. In Kombination mit Silber, das eine zusätzliche antiseptische Wirkung hat, wird Sulfadiazinsilber (Flammazine®) auch äußerllich zu Wunddesinfektion eingesetzt.

Nitroimidazole: Aus der Antibiotikagruppe der Nitroimidazole wird in Deutschland nur noch Metronidazol (Clont®, Metronidazol-ratiopharm®) verschrieben. Durch Stangbrüche schädigt die Substanz das bakterielle Erbgut und wirkt dabei bakterizid. Menschliche Zellen sind für diesen Angriff wesentlich weniger empfindlich, jedoch ist die Möglichkeit krebsauslösender und erbgutschädigender Wirkungen nicht ganz auszuschließen. Die Wirksamkeit ist im Wesentlichen auf Bakterien und Parasitenzellen beschränkt, die obligat ohne Sauerstoff leben (Anaerobier). Bakterielle Mischinfektionen mit Beteiligung von aeroben Keimen erfordern die gleichzeitige Gabe eine ß-Lactamantibiotikums mit breitem Wirkspektrum oder eines Aminoglykosids. Die Behandlungsdauer beträgt meist fünf Tage und sollte nur in Ausnahmefällen zehn Tage überschreiten.

Neuere Antibiotika, bzw. völlig neue Antibiotikagruppen sind:

Ende 2001 kam Linezolid (Zyvoxid®) als erster Vertreter der neuen Substanzklasse der Oxazolidinone auf den Markt. Als reversilber, nichtselektiver Monoaminoxidase (MAO)-Hemmer stört es in einem sehr frühen Stadium die bakterielle Proteinbiosynthese. Oxazolidinone sind gut geeignet zur Therapie von multiresistenten grampositiven Erregern. Die Anwendung bei Lungenentzündungen oder schweren Haut- und Weichteilinfektionen erfolgt allerdings nur stationär.

Das 2001 zugelassene oral gut wirksame Ketolidantibiotikum Telithromycin (Ketek®) ist ein Makrolidanalogon. Es tötet alle relevanten Erreger von Atemwegsinfektionen ab, auch resistente Stämme von Pneumokokken sowie Haemophilus influenzae.

Die im Jahr 2000 eingeführte 30:70-Kombination der Streptogramine Quinupristin und Dalfopristin (Synercid®) wirkt infolge doppelten Angriffs auf die Proteinsynthese in den Bakterienzellen stark synergistisch. Da sie gegen eine Vielzahl grampositiver Erreger, aber auch gut gegen vancomycinresistente Staphylokokken und Enterokokken wirksam ist, darf die Kombination als Reserveantibiotikum in Kliniken nur eingesetzt werden, wenn nachgewiesenermaßen kein anderes Antibiotikum für die Behandlung der Infektion des Patienten geeignet ist.

Das im April 2006 eingeführte, parenteral zu verabreichende neue Antibiotikum Daptomycin (Cubicin®) - ein zyklisches Lipopeptid – ist zur Behandlung von schweren Haut- und Weichteilinfektionen grampositiven Erregern zugelassen. Es soll zunächst nur bei lebensbedrohlichen Infekten auf der Intensivstation eingesetzt werden. Der Wirkstoff hemmt interessanterweise sowohl die Protein- als auch die Nukleinsäuresynthese der Bakterien und führt so zu deren Zelltod.

Im Mai 2006 kam Tigecyclin als erster Vertreter einer Gruppe von Tetracyclinanaloga – den Glycylcyclinen - in Deutschland auf den Markt. Das intravenös zu verabreichende Antibiotikum weist ein breites Wirkspektrum wie die Tetracycline auf, ist aber zusätzlich noch gegen viele multiresistente Keime wirksam. Es soll als Monotherapie bei Patienten mit komplizierten Bauchraum- oder Haut- und Weichteilinfektionen angewendet werden.

Lokalantibiotika: Theoretisch könnten alle Antibiotika, die in Arzneiformen zur örtlichen Anwendung eingearbeitet werden, wie Augen-, Ohren- oder Nasentropfen, Salben, Gurgellösungen und Lutschtabletten, als Lokalantibiotika bezeichnet werden. Im engeren Sinne werden unter Lokalantibiotika alledings Wirkstoffgruppen zusammengefasst, die bei systemischer Anwendung zu viele und zu starke Nebenwirkungen zeigen. Sie werden deshalb ausschließlich lokal auf der Haut, Schleimhaut oder – ohne orale Resorption zu zeigen – zur Darmsanierung eingestetzt. Es gibt drei Gruppen von Lokalantibiotika:

Die Polypeptide schädigen die bakterielle Zellwand oder Cytoplasmamembran. Sie sind in einigen Präparaten enthalten (z.B. Colistin®, Tyrosur®), manchmal auch in Kombination mit Aminoglykosiden (z. B. Isopto-Max®, Nebacetin®). Dadurch wird versucht, das meist enge Wirkspektrum zu erweitern.

Eine Sonderstellung nimmt Murpirocin (Turixin®, InfectoPyoderm®) ein. Es unterscheidet sich in Struktur und Wirkmechanismus grundlegend von allen anderen Antibiotika. Mupirocin hemmt die Proteinbiosynthese der Erreger. Das von Pseudomonas fluorescens gebildete Antibiotikum zeigt dabei bakteriostatische, in höherer Konzentration auch bakterizide Wirkung gegen Streptokokken und Straphylokokken, einschließlich der methicillinresistenten Stämme. Primär wird das Mittel gegen zahlreiche Hauterkrankungen eingesetzt. Gelangt es in den Blutkreislauf, so erfolgt sofort eine Spaltung in unwirksame Abbauprodukte. Die Nebenwirkungen sind vergleichsweise gering.

In der Literatur werden Lokalantibiotika sehr differenziert beurteilt. Generell benötigen gefährliche Infektionen immer eine systemische Therapie. Die Möglichkeiten einer Lokalbehandlung werden dabei vielfach überschätzt. Ist diese möglich, kann in zahlreichen Fällen das Lokalantibiotika (z. B. Betaisodona®, Braunol®) ersetzt werden.

Mittel gegen Tuberkulose: Noch immer führt die Tuberkulose, kurz TBC genannt, als eine der ältesten Plagen der Menschheit die Statistik der tödlichen Infektionskrankheiten an. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass allein durch diese Infektion in den nächsten zehn Jahren 30 Millionen Todesfälle weltweit auftreten werden. In den westlichen Industrienationen ist die Erkrankung dank guter hygienischer Verhältnisse und medizinischen Fortschritts allerdings selten geworden. Inbesondere die Einführung von Antituberkulotika senkte die Sterblichkeit auf ein Minimum und verbesserte deutlich die Prognose der Krankheit. Dennoch wurden dem Robert Koch Institut (RKI) im Jahr 2006 noch immer etwas mehr als 5300 Erkrankte in Deutschland gemeldet. Und die Dunkelziffer ist hoch. Mit zunehmender Verbreitung von Aids flammt auch die Tuberkulose wieder stärker auf. Heutzutage ist sie oft die klinische Erstmanifestation von Aids. Der wichtigste Erreger der Tuberkulose, Mycobacterium tuberculosis, wurde 1882 von Robert Koch erstmals beschrieben. Zu den Mykobakterium im engeren Sinn gehören ferner Mycobakterium bovis, ebenfalls ein Erreger der Tuberkulose, und der Lepraerreger Mycobakterium leprae. Mycobakterien sind aerobe grampositive Stäbchenbakterien, die sehr säurebeständig sind („säurefeste Stäbchen“). Letztes beruht auf dem hohen Anteil von Lipiden mit Mykolsäuren in der Bakterienzellwand. Diese sind auch für die hohe Widerstandsfähigkeit der Mykobakterien gegenüber den meisten Antibiotika verantwortlich.

Mit den Antituberkulotika wurden Substanzen gefunden, die relativ spezifisch gegen Tuberkelbakterien wirksam sind. Da sich die Erreger nur langsam teilen und in tuberkulösen Granulomen lange Zeit ruhen können, ist die Gefahr von Resistenzen bei Tuberkelbakterien allerdings besonders groß. Immer ist eine langfristige kombinierte Behandlung mir mehreren vollwertigen Antituberkulotika erfoderlich.

Mittel der ersten Wahl sind Isoniazid (Isonicotinsäure, INH), Rifampicin, Pyrazinamid, Ethambutol und Streptomycin (siehe Aminoglykoside, Teil III). Sie dienen zur Tuberkulosebehandlung im Regelfall. Sie sind effektiver als die Reservemittel und zeigen dennoch eine niedrigere Toxizität für den menschlichen Organismus. Als Mittel der zweiten Wahl werden Prothionamid (Ektebin®, Peteha®), Capreomycin (Capastat Lilly, USA) und Terizidon (Terizidon®) eingesetzt.

Am besten wirken Isoniazid, Rifampicin und Pyrazinamid. Streptomycin wirkt schwächer als Isoniazid und Rifampicin, aber stärker als Ethambutol. Ethambutol und Prothionamid sind nur bakteriostatisch wirksam. Isoniazid (Isozid®, tebesium®) hemmt die bakterielle Nukleinsäure- und Mykolsäuresynthese und ist wohl wichtigste Antituberkulotikum. Keine Verwandtschaft mit anderen Antibiotikagruppen zeigt Rifampicin (Eremfat®, Rifa®). Dieses Antituberkulotikum hemmt ein bestimmtes Enzym des bakteriellen Stoffwechsels, die DNA- abhängige RNA-Polymerase, und beeinträchtigt dadurch die bakterielle Ribonukleinsäuresynthese. Seine gute bakterizide Wirksamkeit gegen proliferierende Keime wird auch zur Leprabekämpfung genutzt. Bei Pyrazinamid (Pyrafat®) ist der Wirkmechanismus nicht sicher bekannt. Wird es in der Anfangsphase der Behandlung – also den ersten zwei bis drei Monaten – eingesetzt, kann es die notwendige Therapiedauer verkürzen und die Rezidivhäufigkeit vermindern. Ethambutol (EMB-Fatol®,Myambutol®) scheint mit der Zellwandsynthese zu interferieren. Es bietet den Vorteil, dass Tuberkelbakterien unter der Therapie nur sehr langsam eine Resistenz dagegen entwickeln. Bei einer manifesten Tuberkulose ist eine kombinierte Behandlung mit drei, besser vier Präparaten notwendig. Die Viererkombination berücksichtigt die Möglichkeit einer Resistenz der Erreger gegen ein oder zwei Mittel. Wenigstens zwei Tuberkulosemittel sind dann ausreichend wirksam. Auch Gyrasehemmer, vor allem Ofloxacin und Ciprofloxacin, besitzen eine gute Wirksamkeit gegen Mykobakterien. Ihre Anwendung kommt jedoch nur bei multiresistenter Tuberkulose in Betracht.

Die Tuberkulosetherapie dauert äußerst lange, mindestens sechs Monate, meist aber ein bis zwei Jahre.



© PTA in der Apotheke Heft 5/2007 über medicalpress.de / Veröffentlicht am 09.10.2008