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Herzgesundheit: Natürlicher Bypass statt Operation?

Engpässe in den Blutgefäßen können zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen. Bisher wurden diese Schwachstellen durch operative Eingriffe behandelt. Doch mit etwas Unterstützung kann der Körper sich auch selber helfen und natürliche Bypässe ausbilden. Darüber berichtet die Zeitschrift Ratgeber aus Ihrer Apotheke in ihrer Ausgabe 8A/2010 (erscheint am 1. August 2010).

Werden gefährliche Gefäßverengungen rechtzeitig erkannt, gab es bisher neben Medikamenten verschiedene Verfahren, sie zu behandeln: die Aufdehnung der verengten Stelle durch einen mit Medikamenten beschichteten Ballon (Ballondilatation), die Einführung eines feinen Maschendrahtgitters (Stent) in das Gefäß, um es offen zu halten, oder eine Bypass-Operation. Dabei wird der verengte Arterienabschnitt durch ein kleines Stück Vene oder Arterie von einer anderen Körperstelle ersetzt. Rund 70.000 solcher Bypass-Operationen werden jährlich durchgeführt. Sie gelten als Routineeingriff, sind jedoch nicht ohne Risiko: Bei der sehr aufwendigen Operation erleiden jährlich fünf Prozent der Patienten noch im Operationssaal einen Herzinfarkt, ein Prozent überlebt den Eingriff nicht.

Der Körper heilt sich selbst

Ein Forscherteam der Charité in Berlin hat in einer Studie untersucht, wie sich die Selbstheilungskräfte des Körpers nutzen lassen und ohne Nebenwirkungen bessere Erfolge versprechen. Jeder Mensch hat nämlich im Umfeld der großen Arterien ein Netz von Umgehungskreisläufen: feine, dünne Blutgefäße, die allmählich den Bluttransport übernehmen können, wenn die benachbarte Arterie verstopft ist. Es ist wie im Straßenverkehr: Bildet sich auf der Hauptstraße ein Stau, wird der Verkehr in die kleinen Nebenstraßen umgeleitet. Mit dem Unterschied, dass unsere feinen Blutgefäße (Kollateralen) durch die Schubkraft des Blutes allmählich zu großen Blutgefäßen heranwachsen können (Arteriogenese). Dr. Ivo Buschmann von der Charité Berlin berichtet, dass manche Menschen komplette Gefäßverschlüsse hätten, ohne etwas davon zu bemerken. Denn bei ihnen hatten sich allmählich "natürliche Bypässe" herausgebildet. Wie funktionstüchtig diese sind, wird durch Erbanlagen, gesundheitliche Risikofaktoren und auch durch die körperliche Fitness beeinflusst. In jedem Fall bedarf es bestimmter Impulse, um den Wachstumsprozess der Kollateralen zu stimulieren.

Sport stößt Umbauprozess an

Zum einen spielen bestimmte weiße Blutkörperchen (Monozyten) eine wichtige Rolle bei der Vergrößerung der Umgehungsgefäße. Sie kreisen als mobile Umbautruppen im Blut und transportieren Wachstumsfaktoren in die Gefäßwände der feinen Umgehungsgefäße. Dieser Prozess lässt sich durch eine zusätzliche externe Gabe dieser Monozyten ankurbeln. Zum anderen ganz entscheidend ist die Beschleunigung des Blutstroms, der die feinen Gefäße durchfließt. Denn eine stärkere Schubkraft des Blutes bewirkt den allmählichen Ausbau der engen "Umgehungssträßchen" des Blutes in leistungsfähigere Transportwege. Durch regelmäßiges Gehtraining oder anderen intensiven Ausgleichssport lässt sich die Schubkraft des Blutes erhöhen und dadurch das Wachstum der biologischen Bypässe anregen.

"Herzhose" simuliert Bewegung

Ein regelmäßiges Gehtraining können allerdings nicht alle Patienten mit einer fortgeschrittenen Arteriosklerose absolvieren, zum Beispiel wenn sie an weiteren Erkrankungen oder Einschränkungen der Mobilität leiden. Um auch bei ihnen die Bildung natürlicher Bypässe anzuregen, haben Wissenschaftler die sogenannte "Herzhose" entwickelt: Sie besteht aus sechs aufblasbaren Manschetten, die paarweise um die Unterschenkel und um zwei Stellen der Oberschenkel gelegt wird. Mit dem Herzschlag blasen sie sich auf und entlüften sich wieder. Durch das "passive Training" wird der Blutkreislauf in Schwung gebracht und das Blut mit rhythmischem Druck zum Herzen gepumpt. Ähnlich wie beim aktiven Training wird bei diesem passiven Training durch den erhöhten Blutdruck der Ausbau der Kollateralen zum biologischen Bypass angeregt. Weitere Studien sollen zeigen, ob die Herzhose auch bei Schlaganfallpatienten und bei Patienten mit verengten Beinarterien wie der sogenannten "Schaufensterkrankheit" oder dem "Raucherbein" (PAVK) greift.

Das Forscherteam der Berliner Charité um Dr. Ivo Buschmann möchte eine umfassende vorbeugende Therapie für Patienten mit Arteriosklerose und weiteren Risikofaktoren entwickeln. Denn für eine effektive Vorbeugung ist das zeitlich begrenzte passive Training mit der "Herzhose" nicht ausreichend. Gefäßpatienten müssten regelmäßig Schubspannung zum Beispiel durch Gehtraining aufbauen, damit die biologischen Bypässe erhalten bleiben

Quelle: Ratgeber aus Ihrer Apotheke / Ausgabe 8A/2010 (1. August 2010)



© (dgk) Deutsches Grünes Kreuz / Veröffentlicht am 31.07.2010